Eröffnung des Heilbronner Theaters, 1982
Eine Hörfunk-Reportage (Teil 1)
Von Jürgen Dieter Ueckert
Die zweite Jahrhundert-Eröffnung
Süddeutscher Rundfunk
Zweites Programm-Hörfunk
Kulturreport regional – Württemberg
Freitag, den 19. November 1982, 19.30 Uhr
Moderator:
Guten Abend, verehrte Hörer. Es war das regionale Kulturereignis im
Raume Württemberg in dieser vergangenen Woche die Eröffnung des neuen
Heilbronner Stadttheaters. Fast ungläubig nimmt man es wahr, fragt
sich, ob es nicht doch nur eine Fata morgens sei, was da mitten in
unserer vielbeschworenen Krise aus dem Boden gewachsen ist.
Wenn
das Heilbronner Theater, das Neue, in diesen Tagen immer mit dem
anderen, eben eröffneten Neubau der Württembergischen Landesbühne in
Esslingen in einem Atemzug genannt wird, so stimmt dieser Vergleich doch
nur sehr bedingt. Im Verhältnis zum Stadttheater Heilbronn – Kosten 67
Millionen Mark - ist der Esslinger Bau für 18 Millionen schon beinahe
ein Provisorium. Das Heilbronner Theater lässt baulich wie technisch
kaum etwas zu wünschen übrig, und die Frage, die sich jetzt stellt,
zielt ausschließlich in die Zukunft: Können die Heilbronner finanziell
und künstlerisch der Herausforderung, die dieser Theaterbau für sie
bedeutet, gerecht werden.
Die festliche Premiere am
vergangenen Dienstag mit dem Musical „My Fair Lady“, nicht etwa mit dem
„Käthchen von Heilbronn“, verhieß da nichts Gutes. Doch es geht nun
Schlag auf Schlag. Schon folgen Morgen Goethes „Faust“ und danach
Mnouchkines „Mephisto“. Man darf gespannt sein. Jürgen Dieter Ueckert
hat sich im Heilbronner Theater umgesehen, hat mit Intendant und
Architekt gesprochen. Und er war selbstverständlich auch bei der
Eröffnungspremiere dabei.
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In
anderen Bundesländern spricht man über die Schließung von
Stadttheatern. In Baden-Württemberg wurden 1982 zwei Theater-Neubauten
eingeweiht: am 1. September das Stadttheater für die Württembergische
Landsbühne in Esslingen, das Stammhaus für die Wanderbühne, und am
Dienstag dieser Woche – am 16. November - das neue Haus des
Stadttheaters Heilbronn.
Knapp 18 Millionen Mark haben
sich die Esslinger ihr Theater kosten lassen. In Heilbronn sind für den
Neubau stolze 67,3 Millionen Mark ausgegeben worden. Wobei in dieser
Summe sieben Millionen Mark für theaterbezogene PKW-Abstellplätze in
einer Tiefgarage und 3,1 Millionen Mark für die Geradeausführung der
Heilbronner Prachtstraße Allee, sowie für eine Fußgängerunterführung
enthalten sind.
Man kann sich darüber streiten, ob
diese zehn Millionen Mark zu einem Theater-Neubau hinzugerechnet werden
müssen. Heftige Befürworter in Heilbronn lassen sie weg, Theater-Gegner
und die Stadt rechnen sie hinzu. In der Esslinger Rechnung sind
derartige Kosten jedoch nicht enthalten.
Trotz der
angespannten Finanzlage der Städte, am Eröffnungstag spielte der Streit
ums Geld in Heilbronn keine herausragende Rolle. Schließlich waren die
rund sieben Hundert Ehrengäste kostenlos ins Theater gelangt, und auch
die Häppchen am Kalten Buffet gab es zum Null-Tarif.
Und
da in Heilbronn sich viele Menschen zur Prominenz zählen,
veranstaltete die Stadt am Mittwoch noch einmal einen Abend für 705
Gäste-- mit dem gleichen Programm: Reden zur Einstimmung, „My Fair Lady“
zur Unterhaltung, Essen und Trinken in einer Dreiviertel-Stunden-Pause
zur Stärkung und den Schluss der Blumenmädchen-Geschichte als
Nachthupferl. Viereinhalb Stunden dauerte das Spektakel an jedem Abend.
Am
morgigen Samstag veranstaltet das „Theater Heilbronn“ - wie das
Stadttheater von Seiten der Intendanz des Hauses genannt wird, eine
Premiere für jene, denen das amerikanische Musical zu wenig dramatisch
und deutsch für die Einweihung eines neuen Theaterbaus gewesen ist.
„Faust I“ wird in der Inszenierung des Intendanten Klaus Wagner gegeben.
Und er zeichnet auch für die Regie beim Musical verantwortlich.
Heilbronn
feierte mit dieser Theater-Eröffnung zum zweiten Mal in unserem
Jahrhundert die Premiere eines Neubaus. Das erste vollwertige
Theater-Gebäude, der Jugendstilbau des Münchner Architekten Theodor
Fischer, war am 3o. September 1913 am Nordende der damals noch dank
vieler Bäume ihrem Namen alle Ehre machenden Prachtstraße Allee
eingeweiht worden.
Dieses Haus war im Zweiten
Weltkrieg stark beschädigt und 1970 schließlich gesprengt worden. Vor 12
Jahren schon wollte man mit einem Neubau beginnen. Aber 21 Jahre
benötigte die Stadt vom ersten Gutachten bis zur ersten Premiere im
neuen Haus auf dem Berliner Platz. Und 31 Jahre wurde im Provisorium, im
Saal des Gewerkschaftshauses in der Gartenstraße, unter denkbar
schlechten Bedingungen der Theatergedanke wacker hochgehalten.
Die
Zeiten für die Kunst verdüsterten sich bisher, wenn in Heilbronn ein
Theater eingeweiht wurde. Beim ersten Theaterbau begann wenige Monate
später der Erste Weltkrieg. Und heute sind Signale für ein Theaterleben
eher Warnsignale aus den Finanzdezernaten der Rathäuser .
So
ist der Heilbronner Theaterneubau auf dem Berliner Platz auch nur ein
Gebäudeteil des geplanten Gesamtkomplexes, dessen sogenannter
Kulturanbau für Jugendmusik- und Volkshochschule vorläufig aus
finanziellen Gründen nur als Baumodell existiert. 18 bis 2o Millionen
Mark wird dieser Anbau noch kosten.
Heilbronns Oberbürgermeister Hans Hoffmann verdeutlichte in seiner Eröffnungsansprache die Finanzsorgen seiner Stadt: (O-Ton)
„Eine
Stadtverwaltung ist im Grunde ein einziger Dienstleistungsbetrieb mit
einer Fülle von Anforderungen. Dabei steht die Kultur gewiss nicht an
letzter Stelle. Aber auch sie hat sich an den finanziellen Möglichkeiten
zu orientieren. Und diese sind nicht unbegrenzt. Ja, sie sind heute
geringer als noch vor einigen Jahren. Ich sage dies in aller
Deutlichkeit ganz bewusst am Tag der Premiere, dabei betonend, dass ich
zu diesem Theater und zu seiner kulturellen Aufgabe stehe und es
bejahe."
Und der baden-württembergische Minister für Wissenschaft und Kunst Professor Helmut Engler legte sich: (O-Ton)
„Das
Land wird unter Berücksichtigung der finanziellen Lage auch in der
Zukunft bemüht sein, in diesem Bereich seine schon bisher bewährte
Subventionspolitik fortzuführen."
Dafür gab es
unter den Ehrengästen der Eröffnungsveranstaltung nur eitel
Sonnenschein. Nach ihrem ersten Eindruck vom Neubau fragte ich im
plüschigen Foyer flanierende Besucher: (O-Ton)
-
„Für uns Heilbronner ist es zunächst einmal eine faszinierende
Angelegenheit, was in diesem neuen Hause technisch alles möglich ist.“
- „Die Atmosphäre hier draußen gefällt mir sehr gut im Foyer.“
- „Ja, ich glaub, dass es für mich und alle, die hier
anwesend
sind, eine große angenehme Überraschung ist. Und wenn es möglich ist,
dieses Niveau hier weiter halten zu können, dann glaube ich, dass
Heilbronn einen ganz großen Gewinn erzielt hat mit dem Bau von diesem
Theater.“
- „Ich hatte erst gedacht, die My Fair Lady wär kein Stück,
kein günstiges Stück für den Start. Aber ich finde, es ist eigentlich
gerade sehr reizvoll, weil es so ganze Möglichkeiten ausschöpft, die das
Theater technisch hat. Und sie spielen ganz entzückend."
- „Ich hätt mir vielleicht ein anderes Stück ausgesucht. Aber so wie es dargeboten ist, ist es recht nett.“
- „Und ich hin froh, dass der heutige Tag endlich da ist, auf den wir solange gewartet haben.“
- „Ich hoffe und ich wünsche, dass das Haus immer sehr oft voll sein wird.“
-
„Zunächst mal bin ich als Abgeordneter kein Theaterroutinier. Aber aus
meiner Sicht, aus meiner Empfindung ist das bis zur Mitte dieser
Vorstellung ein gelungener Abend. Es ist ein Theater, das von der
Atmosphäre und vor allen Dingen von der Intimität her maßgeschneidert
ist auf die Proportionen Heilbronns - rundum gelungen.“
- „Also auf mich wirkte völlig gewohnt schon - als wär es schon immer hier.“
-
„Ja, no - wenn man das alte Theater gekannt hat, möchte ich sagen,
dieser neue Theaterbau ist in der neuen Zeit, die wir jetzt haben, im
Stil sehr gut gelungen. Und man muss sich erst wieder reinfühlen, weil
wir - seither, das kann man ruhig sagen - fast theaterlos waren.“
-
„Ich hab das alte noch in Erinnerung - als Mädchen. Und für mich war es
heute ein besonderer Eindruck, dass in Heilbronn wieder ein Theater
erstanden ist. Und das kulturelle Leben kommt wieder in Schwung in
Heilbronn.- „Ich habe mit einer von meine Landsleute gesprochen. Aus
Großbritannien. Und er hat gesagt, dass er auch in London kein solch
schönes Theater gesehen als hier in Heilbronn Und das ist - darf man
sagen - was Bedeutendes. Weil - in London glauben wir, dass wir das
beste Theater, die Stücke in der Welt haben. Und deshalb bin ich
besonders beeindruckt von diesem Haus hier in Heilbronn.“
M u s i k
(Siehe Teil 2)
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