Mittwoch, 19. Februar 2014

Stadttheater Heilbronn - Eröffnung des neuen Theaters 1982 - Teil 1

Eröffnung des Heilbronner Theaters, 1982

Eine Hörfunk-Reportage (Teil 1)

Von Jürgen Dieter Ueckert

Die zweite Jahrhundert-Eröffnung

Süddeutscher Rundfunk
Zweites Programm-Hörfunk
Kulturreport regional – Württemberg
Freitag, den 19. November 1982, 19.30 Uhr


Moderator: Guten Abend, verehrte Hörer. Es war das regionale Kulturereignis im Raume Württemberg in die­ser vergangenen Woche die Eröffnung des neuen Heil­bronner Stadttheaters. Fast ungläubig nimmt man es wahr, fragt sich, ob es nicht doch nur eine Fata morgens sei, was da mitten in unserer vielbeschworenen Krise aus dem Boden gewachsen ist.

Wenn das Heilbronner Theater, das Neue, in diesen Tagen immer mit dem an­deren, eben eröffneten Neubau der Württembergischen Landesbühne in Esslingen in einem Atemzug genannt wird, so stimmt dieser Vergleich doch nur sehr bedingt. Im Verhältnis zum Stadttheater Heilbronn – Kosten 67 Millionen Mark - ist der Esslinger Bau für 18 Millionen schon beinahe ein Provisorium. Das Heil­bronner Theater lässt baulich wie technisch kaum etwas zu wünschen übrig, und die Frage, die sich jetzt stellt, zielt ausschließlich in die Zukunft: Können die Heilbronner finanziell und künstlerisch der Herausforderung, die dieser Theaterbau für sie bedeutet, gerecht werden.

Die festliche Premiere am vergangenen Dienstag mit dem Musical „My Fair Lady“, nicht etwa mit dem „Käthchen von Heilbronn“, verhieß da nichts Gutes. Doch es geht nun Schlag auf Schlag. Schon folgen Morgen Goethes „Faust“ und danach Mnouchkines „Mephisto“. Man darf gespannt sein. Jürgen Dieter Ueckert hat sich im Heilbronner Theater umgesehen, hat mit Intendant und Architekt gesprochen. Und er war selbstverständlich auch bei der Eröffnungspremiere dabei.

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In anderen Bundesländern spricht man über die Schließung von Stadttheatern. In Baden-Württemberg wurden 1982 zwei Theater-Neubauten eingeweiht: am 1. Sep­tember das Stadttheater für die Württembergische Landsbühne in Esslingen, das Stammhaus für die Wanderbühne, und am Dienstag dieser Woche – am 16. November - das neue Haus des Stadttheaters Heilbronn.

Knapp 18 Millionen Mark haben sich die Esslinger ihr Theater kosten lassen. In Heilbronn sind für den Neu­bau stolze 67,3 Millionen Mark ausgegeben worden. Wo­bei in dieser Summe sieben Millionen Mark für thea­terbezogene PKW-Abstellplätze in einer Tiefgarage und 3,1 Millionen Mark für die Geradeausführung der Heilbronner Prachtstraße Allee, sowie für eine Fuß­gängerunterführung enthalten sind.

Man kann sich da­rüber streiten, ob diese zehn Millionen Mark zu einem Theater-Neubau hinzugerechnet werden müssen. Hefti­ge Befürworter in Heilbronn lassen sie weg, Theater-Gegner und die Stadt rechnen sie hinzu. In der Ess­linger Rechnung sind derartige Kosten jedoch nicht enthalten.

Trotz der angespannten Finanzlage der Städte, am Er­öffnungstag spielte der Streit ums Geld in Heilbronn keine herausragende Rolle. Schließlich waren die rund sieben Hundert Ehrengäste kostenlos ins Theater gelangt, und auch die Häppchen am Kalten Buffet gab es zum Null-Tarif.

Und da in Heilbronn sich viele Men­schen zur Prominenz zählen, veranstaltete die Stadt am Mittwoch noch einmal einen Abend für 705 Gäste-- mit dem gleichen Programm: Reden zur Einstimmung, „My Fair Lady“ zur Unterhaltung, Essen und Trinken in einer Dreiviertel-Stunden-Pause zur Stärkung und den Schluss der Blumenmädchen-Geschichte als Nachthupferl. Viereinhalb Stunden dauerte das Spek­takel an jedem Abend.

Am morgigen Samstag veranstaltet das „Theater Heilbronn“ - wie das Stadttheater von Seiten der Intendanz des Hau­ses genannt wird, eine Premiere für jene, denen das amerikanische Musical zu wenig dramatisch und deutsch für die Einweihung eines neuen Theaterbaus gewesen ist. „Faust I“ wird in der Inszenierung des Intendanten Klaus Wagner gegeben. Und er zeichnet auch für die Regie beim Musical verantwortlich.

Heilbronn feierte mit dieser Theater-Eröffnung zum zweiten Mal in unserem Jahrhundert die Premiere eines Neubaus. Das erste vollwertige Theater-Gebäude, der Jugendstilbau des Münchner Architekten Theodor Fi­scher, war am 3o. September 1913 am Nordende der da­mals noch dank vieler Bäume ihrem Namen alle Ehre machenden Prachtstraße Allee eingeweiht worden.

Die­ses Haus war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und 1970 schließlich gesprengt worden. Vor 12 Jahren schon wollte man mit einem Neubau beginnen. Aber 21 Jahre benötigte die Stadt vom ersten Gutachten bis zur ersten Premiere im neuen Haus auf dem Berliner Platz. Und 31 Jahre wurde im Provisorium, im Saal des Gewerkschaftshauses in der Gartenstraße, unter denkbar schlechten Bedingungen der Theatergedanke wacker hochgehalten.

Die Zeiten für die Kunst verdüsterten sich bisher, wenn in Heilbronn ein Theater eingeweiht wurde. Beim ersten Theaterbau begann wenige Monate später der Erste Weltkrieg. Und heute sind Signale für ein Thea­terleben eher Warnsignale aus den Finanzdezernaten der Rathäuser .

So ist der Heilbronner Theaterneu­bau auf dem Berliner Platz auch nur ein Gebäude­teil des geplanten Gesamtkomplexes, dessen sogenann­ter Kulturanbau für Jugendmusik- und Volkshochschule vorläufig aus finanziellen Gründen nur als Baumodell existiert. 18 bis 2o Millionen Mark wird dieser Anbau noch kosten.

Heilbronns Oberbürgermeister Hans Hoffmann verdeut­lichte in seiner Eröffnungsansprache die Finanzsor­gen seiner Stadt: (O-Ton)

„Eine Stadtverwaltung ist im Grunde ein einziger Dienstleistungsbetrieb mit einer Fülle von Anforderun­gen. Dabei steht die Kultur gewiss nicht an letzter Stelle. Aber auch sie hat sich an den finanziellen Möglichkeiten zu orientieren. Und diese sind nicht unbegrenzt. Ja, sie sind heute geringer als noch vor einigen Jahren. Ich sage dies in aller Deutlichkeit ganz bewusst am Tag der Premiere, dabei betonend, dass ich zu diesem Theater und zu seiner kulturellen Auf­gabe stehe und es bejahe."

Und der baden-württembergische Minister für Wissen­schaft und Kunst Professor Helmut Engler legte sich: (O-Ton)

„Das Land wird unter Berücksichtigung der finanziel­len Lage auch in der Zukunft bemüht sein, in diesem Bereich seine schon bisher bewährte Subventionspoli­tik fortzuführen."

Dafür gab es unter den Ehrengästen der Eröffnungsver­anstaltung nur eitel Sonnenschein. Nach ihrem ersten Eindruck vom Neubau fragte ich im plüschigen Foyer flanierende Besucher: (O-Ton)

- „Für uns Heilbronner ist es zunächst einmal eine faszinierende Angelegenheit, was in diesem neuen Hause technisch alles möglich ist.“
- „Die Atmosphäre hier draußen gefällt mir sehr gut im Foyer.“
- „Ja, ich glaub, dass es für mich und alle, die hier
anwesend sind, eine große angenehme Überraschung ist. Und wenn es möglich ist, dieses Niveau hier weiter halten zu können, dann glaube ich, dass Heilbronn ei­nen ganz großen Gewinn erzielt hat mit dem Bau von diesem Theater.“
- „Ich hatte erst gedacht, die My Fair Lady wär kein Stück, kein günstiges Stück für den Start. Aber ich finde, es ist eigentlich gerade sehr reizvoll, weil es so ganze Möglichkeiten ausschöpft, die das Thea­ter technisch hat. Und sie spielen ganz entzückend."
- „Ich hätt mir vielleicht ein anderes Stück ausgesucht. Aber so wie es dargeboten ist, ist es recht nett.“
- „Und ich hin froh, dass der heutige Tag endlich da ist, auf den wir solange gewartet haben.“
- „Ich hoffe und ich wünsche, dass das Haus immer sehr oft voll sein wird.“
- „Zunächst mal bin ich als Abgeordneter kein Theater­routinier. Aber aus meiner Sicht, aus meiner Empfin­dung ist das bis zur Mitte dieser Vorstellung ein gelungener Abend. Es ist ein Theater, das von der Atmosphäre und vor allen Dingen von der Intimität her maßgeschneidert ist auf die Proportionen Heil­bronns - rundum gelungen.“
- „Also auf mich wirkte völlig gewohnt schon - als wär es schon immer hier.“
- „Ja, no - wenn man das alte Theater gekannt hat, möchte ich sagen, dieser neue Theaterbau ist in der neuen Zeit, die wir jetzt haben, im Stil sehr gut gelungen. Und man muss sich erst wieder reinfühlen, weil wir - seither, das kann man ruhig sagen - fast theaterlos waren.“
- „Ich hab das alte noch in Erinnerung - als Mädchen. Und für mich war es heute ein besonderer Eindruck, dass in Heilbronn wieder ein Theater erstanden ist. Und das kulturelle Leben kommt wieder in Schwung in Heilbronn.- „Ich habe mit einer von meine Landsleute gesprochen. Aus Großbritannien. Und er hat gesagt, dass er auch in London kein solch schönes Theater gesehen als hier in Heilbronn Und das ist - darf man sagen - was Bedeutendes. Weil - in London glauben wir, dass wir das beste Theater, die Stücke in der Welt haben. Und deshalb bin ich besonders beeindruckt von diesem Haus hier in Heilbronn.“


M u s i k

(Siehe Teil 2)

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