Mittwoch, 19. Februar 2014

Stadttheater Heilbronn - Eröffnung des neuen Theaters 1982 - Teil 2

Eröffnung des Heilbronner Theaters, 1982

Eine Hörfunk-Reportage (Teil 2)
Von Jürgen Dieter Ueckert

Interview mit Kurt Gerling, Theater-Architekt

Süddeutscher Rundfunk
Zweites Programm-Hörfunk
Kulturreport regional – Württemberg
Freitag, den 19. November 1982, 19.30 Uhr


Geplant hatte den Neubau des Heilbronner Theaters im Jahre 1961 Professor Gerhard Graubner aus Hanno­ver. Die Bühnentechnik sollte vom Berliner Büro des Professors Thomas Münther erarbeitet werden. Diese beiden Planer jedoch verstarben während der Jahrzehn­te andauernden Planungsphase des Heilbronner Theaters.

Die Nachfolger der beiden Herren, Rudolf Biste und Kurt Gerling, zeichneten letztlich für den Sau in seiner heutigen Form verantwortlich. ”Prachtbau oder Zweck­bau“ - das sind Schlagworte aus vergangenen, heftig, geführten Auseinandersetzungen in Heilbronn.

Ich fragte daher den verantwortlichen Architekten, der die 21 jährige Planungs- und Baugeschichte des Hau­ses direkt miterlebt hatte, Kurt Gerling, nach sei­ner Ansicht zu diesen beiden Schlagworten: (0-Ton)

Gerling: Das ist ein ausgesprochener Zweckbau, wobei man nicht verhehlen kann, dass die äußere Erscheinung etwas Prächtiges - in Anführungsstrichen - an sich hat. Die eingesetzten Materialien haben noch den Ruch den Eleganten, des Teuren. Und - da kommt man sehr schwer davon herunter. Sie sind aber ausgespro­chen - erstmals preiswert, sind haltbar und wenig anfällig, was den Unterhalt der Gebäude antrifft.

Frage: Nun gab es vor wenigen Tagen Auseinandersetz­ungen um die Plätze im neuen Großen Haus. Man behaup­tete, an die fünfzig Plätze oder noch mehr seien so gestaltet, dass man nicht auf die Bühne sehen könn­te. Welchen Hintergrund haben diese Vorwürfe und wie können Sie denen begegnen ?

Gerling: Ja, dazu muss man wieder ein bisschen in die Geschichte gehen. 1974, als die Stadt Heilbronn wie­der anfing, über den Neubau nachzudenken, hat man nach gründlicher Diskussion und Anhörung von Gutach­tern ein Programm verabschiedet, das so aussah, dass man für Schauspiel-Veranstaltungen etwa 500 , 550 Plätze haben wollte und für Musiktheater etwa 150 mehr, bis 200 maximal - also 750.

Wir haben darauf­hin den Entwurf, und zwar den Zuschauerraum selbst des Großen Hauses. überarbeitet und haben die 55o Plätze für Schauspielveranstaltungen ausschließlich im Parkett untergebracht und daraufhin auch alle Bezüge, die wichtig sind, Sicht-Bezüge, akustische Din­ge und dergleichen mehr, konzipiert und geplant.

Die Plätze auf des Rang sind ausschließlich für die Er­weiterung Musiktheater gedacht. Man hat seinerzeit auch noch, um das deutlich zu machen, an eine mecha­nisch absenkbare Trennwand gedacht und ein Decken­teil sollte auch veränderbar sein, um das Volumen
der jeweiligen Nutzung anzupassen.

Und nun ist die Situation die, dass das Interesse der Heilbronner Be­völkerung so ungeheuer groß ist an dem neuen Haus, dass das Theater - ja eigentlich irgendwo ganz gerne alle Plätze verkaufen möchte, auch für Schauspiel-Veranstaltungen.

Und das ist auch geschehen. Und nun sieht man von den Seitenrang-Plätzen, das sind auf jeder Seite etwa 25, 30 bestimmte Seitenbereiche
im Zuschauerraum , in der Bühne, so kleine Zwickel, die sieht man nicht voll ein. Aber das ist eine Erscheinung, die eigentlich in jedem Rangtheater auftritt. Das ist nichts Außergewöhnliches.

Frage: Dieses Theater ist ja - wenn man es sich jetzt anschaut - als Gebäudekomplex ein Torso ge­blieben. Es fehlt der Kulturanbau. Man hat die eine Wand - ansonsten ist das Theater ja mit Kupfer verkleidet und mit Sandstein – man hat die eine Wand weiß gelassen, um wahrscheinlich deutlich zu machen, dass es ein Torso ist. Sind Sie sehr glücklich mit diesem Gebäudekomplex, der eigentlich nicht fertig ist?

Gerling: Nein, da kann kein Architekt glücklich sein, wenn nur die Hälfte dessen steht, was als Ganzes irgendwann mal auf den Platz muss. Aber es ist ja
so, dass die Heilbronner die Absicht haben, diesen Anbau zu machen. In der längerfristigen Finanzplanung sind auch Zielvorstellungen vorgegeben. Wir hoffen, dass es diesmal schneller geht als beim Theater und nicht wieder zwanzig Jahre vergehen bis da irgend etwas als Westabschluss des Berliner Platzes ent­steht.

Frage: Es gibt viel Streit über die Kosten für das Theater. Wenn Sie jetzt den Theaterbau für sich neh­men - es gibt ja auch andere Städte, die ein Theater gebaut haben, da werden Tiefgaragen und Verlegung einer Straße nicht hinzugerechnet - den Theaterbau für sich nehmen, wie teuer war der jetzt, zum jetzi­gen Zeitpunkt gesehen ?

Gerling: Das Heilbronner Theater hat oder wird 54 Millionen Mark kosten - reine theaterbezogene Kosten. Alles andere sind Dinge, die zwar irgendwo durch das Theater verursacht sind, aber nicht unmittelbar mit den Baukosten etwas zu tun haben. Und wenn man jetzt mal einen Vergleich ziehen will zu einigen an­deren Theaterbauten, vielleicht auch der letzten Zeit, dann ist Heilbronn trotz der recht aufwendigen tech­nischen Ausstattung noch ein preiswertes Theater, denn dieses Haus kostet pro Kubikmeter nur 815 Mark, Esslingen liegt etwas über 1.000 Mark, wie ich in­zwischen gehört habe, und es gibt einige andere Pla­nungen im Lande, die auch so um 1.000 Mark herum liegen.

Frage: Die Ausstattung im Foyer zum Beispiel und auch die Ausstattung im Zuschauerraum sieht doch verhältnismäßig prächtig aus - jetzt verglichen mit anderen Theatern. Wie war da die Konzeption? Wollten Sie dem Heilbronner Theater so etwas verleihen, sollte ihm so etwas verliehen werden wie das bürger­liche Flair, in dem ganz bestimmte Kreise sich wohl­fühlen?

Gerling: Ja, bürgerliches Flair ist richtig, das wollten wir schon. Nur auf ganz bestimmte Kreise möchte ich es nicht beschränken. Aber das Ganze hat durchaus einen realen Hintergrund. Untersuchungen, die vor einigen Jahren durchgeführt worden sind, ha­ben gezeigt, dass das Desinteresse der Bevölkerung in den Fünfziger Jahren nicht nur auf falsches Thea­terspiel und solche Dinge beruht, sondern dass auch die Atmosphäre in den Häusern ein gut Teil daran Schuld ist.

Und es hat sich also gezeigt, dass die nüchternen, sehr nüchternen Theaterbauten der Fünf­ziger Jahre und Sechziger auch noch, einen ganz bestimmten Erlebnishintergrund, den die Besucher er­warten, nicht erfüllen kann. Die Räume sind einfach zu nüchtern. Man hat nicht einen Rahmen, in dem der Besucher sich angemessen darstellen kann, sich wohlfühlt . Und solche Dinge sind wichtig.

Wir haben nun versucht, diese Lücke, die da entstanden ist, im Foyer zu füllen. Das Foyer ist so konzipiert, dass wir da zwar gewisse Eleganz , wenn Sie so wollen, und auch edlere Materialien eingesetzt haben, aber das Ganze immerhin so zurückhaltend gestaltet haben, dass die Besucher und das, was darin stattfinden soll, immer noch die Hauptsache bleiben.

M u s i k

(Siehe Teil 3 )

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