Eröffnung des Heilbronner Theaters, 1982
Eine Hörfunk-Reportage (Teil 2)
Von Jürgen Dieter Ueckert
Interview mit Kurt Gerling, Theater-Architekt
Süddeutscher Rundfunk
Zweites Programm-Hörfunk
Kulturreport regional – Württemberg
Freitag, den 19. November 1982, 19.30 Uhr
Geplant hatte den Neubau des Heilbronner Theaters im Jahre 1961 Professor Gerhard Graubner aus Hannover. Die Bühnentechnik sollte vom Berliner Büro des Professors Thomas Münther
erarbeitet werden. Diese beiden Planer jedoch verstarben während der
Jahrzehnte andauernden Planungsphase des Heilbronner Theaters.
Die Nachfolger der beiden Herren, Rudolf Biste und Kurt Gerling,
zeichneten letztlich für den Sau in seiner heutigen Form
verantwortlich. ”Prachtbau oder Zweckbau“ - das sind Schlagworte aus
vergangenen, heftig, geführten Auseinandersetzungen in Heilbronn.
Ich
fragte daher den verantwortlichen Architekten, der die 21 jährige
Planungs- und Baugeschichte des Hauses direkt miterlebt hatte, Kurt Gerling, nach seiner Ansicht zu diesen beiden Schlagworten: (0-Ton)
Gerling:
Das ist ein ausgesprochener Zweckbau, wobei man nicht verhehlen kann,
dass die äußere Erscheinung etwas Prächtiges - in Anführungsstrichen -
an sich hat. Die eingesetzten Materialien haben noch den Ruch den
Eleganten, des Teuren. Und - da kommt man sehr schwer davon herunter.
Sie sind aber ausgesprochen - erstmals preiswert, sind haltbar und
wenig anfällig, was den Unterhalt der Gebäude antrifft.
Frage:
Nun gab es vor wenigen Tagen Auseinandersetzungen um die Plätze im
neuen Großen Haus. Man behauptete, an die fünfzig Plätze oder noch mehr
seien so gestaltet, dass man nicht auf die Bühne sehen könnte. Welchen
Hintergrund haben diese Vorwürfe und wie können Sie denen begegnen ?
Gerling:
Ja, dazu muss man wieder ein bisschen in die Geschichte gehen. 1974,
als die Stadt Heilbronn wieder anfing, über den Neubau nachzudenken,
hat man nach gründlicher Diskussion und Anhörung von Gutachtern ein
Programm verabschiedet, das so aussah, dass man für
Schauspiel-Veranstaltungen etwa 500 , 550 Plätze haben wollte und für
Musiktheater etwa 150 mehr, bis 200 maximal - also 750.
Wir
haben daraufhin den Entwurf, und zwar den Zuschauerraum selbst des
Großen Hauses. überarbeitet und haben die 55o Plätze für
Schauspielveranstaltungen ausschließlich im Parkett untergebracht und
daraufhin auch alle Bezüge, die wichtig sind, Sicht-Bezüge, akustische
Dinge und dergleichen mehr, konzipiert und geplant.
Die
Plätze auf des Rang sind ausschließlich für die Erweiterung
Musiktheater gedacht. Man hat seinerzeit auch noch, um das deutlich zu
machen, an eine mechanisch absenkbare Trennwand gedacht und ein
Deckenteil sollte auch veränderbar sein, um das Volumen
der jeweiligen Nutzung anzupassen.
Und
nun ist die Situation die, dass das Interesse der Heilbronner
Bevölkerung so ungeheuer groß ist an dem neuen Haus, dass das Theater -
ja eigentlich irgendwo ganz gerne alle Plätze verkaufen möchte, auch
für Schauspiel-Veranstaltungen.
Und das ist auch
geschehen. Und nun sieht man von den Seitenrang-Plätzen, das sind auf
jeder Seite etwa 25, 30 bestimmte Seitenbereiche
im Zuschauerraum ,
in der Bühne, so kleine Zwickel, die sieht man nicht voll ein. Aber das
ist eine Erscheinung, die eigentlich in jedem Rangtheater auftritt. Das
ist nichts Außergewöhnliches.
Frage: Dieses
Theater ist ja - wenn man es sich jetzt anschaut - als Gebäudekomplex
ein Torso geblieben. Es fehlt der Kulturanbau. Man hat die eine Wand -
ansonsten ist das Theater ja mit Kupfer verkleidet und mit Sandstein –
man hat die eine Wand weiß gelassen, um wahrscheinlich deutlich zu
machen, dass es ein Torso ist. Sind Sie sehr glücklich mit diesem
Gebäudekomplex, der eigentlich nicht fertig ist?
Gerling:
Nein, da kann kein Architekt glücklich sein, wenn nur die Hälfte dessen
steht, was als Ganzes irgendwann mal auf den Platz muss. Aber es ist ja
so,
dass die Heilbronner die Absicht haben, diesen Anbau zu machen. In der
längerfristigen Finanzplanung sind auch Zielvorstellungen vorgegeben.
Wir hoffen, dass es diesmal schneller geht als beim Theater und nicht
wieder zwanzig Jahre vergehen bis da irgend etwas als Westabschluss des
Berliner Platzes entsteht.
Frage: Es gibt viel
Streit über die Kosten für das Theater. Wenn Sie jetzt den Theaterbau
für sich nehmen - es gibt ja auch andere Städte, die ein Theater gebaut
haben, da werden Tiefgaragen und Verlegung einer Straße nicht
hinzugerechnet - den Theaterbau für sich nehmen, wie teuer war der
jetzt, zum jetzigen Zeitpunkt gesehen ?
Gerling:
Das Heilbronner Theater hat oder wird 54 Millionen Mark kosten - reine
theaterbezogene Kosten. Alles andere sind Dinge, die zwar irgendwo durch
das Theater verursacht sind, aber nicht unmittelbar mit den Baukosten
etwas zu tun haben. Und wenn man jetzt mal einen Vergleich ziehen will
zu einigen anderen Theaterbauten, vielleicht auch der letzten Zeit,
dann ist Heilbronn trotz der recht aufwendigen technischen Ausstattung
noch ein preiswertes Theater, denn dieses Haus kostet pro Kubikmeter nur
815 Mark, Esslingen liegt etwas über 1.000 Mark, wie ich inzwischen
gehört habe, und es gibt einige andere Planungen im Lande, die auch so
um 1.000 Mark herum liegen.
Frage: Die
Ausstattung im Foyer zum Beispiel und auch die Ausstattung im
Zuschauerraum sieht doch verhältnismäßig prächtig aus - jetzt verglichen
mit anderen Theatern. Wie war da die Konzeption? Wollten Sie dem
Heilbronner Theater so etwas verleihen, sollte ihm so etwas verliehen
werden wie das bürgerliche Flair, in dem ganz bestimmte Kreise sich
wohlfühlen?
Gerling: Ja, bürgerliches Flair ist
richtig, das wollten wir schon. Nur auf ganz bestimmte Kreise möchte
ich es nicht beschränken. Aber das Ganze hat durchaus einen realen
Hintergrund. Untersuchungen, die vor einigen Jahren durchgeführt worden
sind, haben gezeigt, dass das Desinteresse der Bevölkerung in den
Fünfziger Jahren nicht nur auf falsches Theaterspiel und solche Dinge
beruht, sondern dass auch die Atmosphäre in den Häusern ein gut Teil
daran Schuld ist.
Und es hat sich also gezeigt, dass
die nüchternen, sehr nüchternen Theaterbauten der Fünfziger Jahre und
Sechziger auch noch, einen ganz bestimmten Erlebnishintergrund, den die
Besucher erwarten, nicht erfüllen kann. Die Räume sind einfach zu
nüchtern. Man hat nicht einen Rahmen, in dem der Besucher sich
angemessen darstellen kann, sich wohlfühlt . Und solche Dinge sind
wichtig.
Wir haben nun versucht, diese Lücke, die da
entstanden ist, im Foyer zu füllen. Das Foyer ist so konzipiert, dass
wir da zwar gewisse Eleganz , wenn Sie so wollen, und auch edlere
Materialien eingesetzt haben, aber das Ganze immerhin so zurückhaltend
gestaltet haben, dass die Besucher und das, was darin stattfinden soll,
immer noch die Hauptsache bleiben.
M u s i k
(Siehe Teil 3 )
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