Mittwoch, 19. Februar 2014

Stadttheater Heilbronn - Eröffnung des neuen Theaters 1982 - Teil 3

Eröffnung des Heilbronner Theaters, 1982

Eine Hörfunk-Reportage (Teil 3)

Von Jürgen Dieter Ueckert

Interview mit Klaus Wagner, Intendant

Süddeutscher Rundfunk
Zweites Programm-Hörfunk
Kulturreport regional – Württemberg
Freitag, den 19. November 1982, 19.30 Uhr


Klaus Wagner, seit 198o Nachfolger des einst 26 Jahre amtierenden Intendanten Walter Bison, auf dem Chef-Sessel des Heilbronner Theaters, hatte seine Amts­zeit unter das Motto „Vielfalt und Überraschung“ gestellt. Um die 705 Plätze im neuen Großen Haus und die 150 in der Studiobühne später einmal mit Besuchern füllen zu können, hatte er im Jahre 198o neben der Bühne im Gewerkschaftshaus-Provisorium auch noch ein Raum-Theater in der Alten Kelter, der ehemaligen Weinkelter Heilbronns erhalten.

In diesem zweiten Provisorium ließ er dann auch jene Stücke zur Premiere gelangen, die seinen Vorstellungen von Thea­ter entsprachen. Musicals wie „Anatevka“ und „Candide“ von Leonard Bernstein feierten dort vor ausverkauftem Hause ihre Triumphe.

Aber auch in der Personalpolitik drangen nur seine persönlichen Ansichten von Theater-Machen durch. So gibt es am Heilbronner Theater kei­ne festangestellten Regisseure. Entweder inszeniert der Intendant oder es werden Regie-Gäste verpflichtet.

Provinztheater will man ganz bewusst sein. Man ver­steht diesen Begriff nicht als Verkleinerung, so der Intendant, sondern als Aufgabe. Dazu gehört in Heil­bronn, dass das Ensemble sehr jung ist - zum großen Teil direkt von der Schauspielschule weg-engagiert.

Ich fragte Klaus Wagner, ob er es zum Prinzip an seinem Hause erhoben habe, junge Leute von den Schu­len direkt zu engagieren, um sie nach ein oder zwei Jahren fertiger oder weniger fertig an andere Theater in Deutschland weiterzugeben.(0-Ton)

Wagner: Das ist wahr. Das ist unsere Absicht. Es war die ganze Zeit eigentlich die Absicht des Theaterma­chens hier, weil ich denke - abgesehen von Heil­bronn - ist es für die Institution Theater eine ganz dringende Notwendigkeit, eine Sache, der Aufbau des Stadttheaters in Deutschland, das gibt es ja fast auf der ganzen Welt sonst nicht, als Qualität hat, als Qualität wie ein Gemüsebeet, Dinge zu pflegen, zu behüten, in eine Tradition und auch in einen stufen­weisen Fortgang zu bringen.

Und es war halt eine gute Sache, dass man in Mährisch-Ostrau vor fünfzig Jahren als junge Schauspieler dreißig Rollen im Jahr gespielt hat, um dann - bei allen Schrecklichkeiten und bei allen wunderbaren Dingen dieses Be­rufes - lernend und erfahrend nachher hinauszugehen, um mit der Professionalität, aber auch mit der inne­ren Reife in dem Beruf weiterzukommen.

Frage: Meinen Sie, dass das Publikum jetzt dieses Durchprobieren von Theater, das ja nun stattfinden muss mit einem solch jungen Ensemble, akzeptieren wird?

Wagner: Das Publikum ist ja nicht neu. Das Publikum sind die vielen Leute, die uns in den letzten zwei Jahren zugeströmt sind. Das muss man wirklich so sagen, obwohl es ein bisschen eitel klingt. Aber es hat ja auch eigentlich nicht mit unseren Personen, sondern eben mit dieser Besonderheit zu tun, die das Publi­kum hier mitgenommen hat, dass es nämlich das Thea­ter unter dem Begriff Erlebnisfähigkeit betrachtet werden kann. Und dass die Erlebnisfähigkeit beidersei­tig ist.

Frage: Sie haben einen verhältnismäßig modernen Spiel­plan - verglichen mit anderen Städten dieser Größe von Heilbronn. In welche Richtung geht Ihrer Ansicht nach dieser Spielplan?

Wagner: Das ist die Richtung Theater zu machen in der Vielfältigkeit, in der es dramatisches Angebot gibt, Theater heutiger Autoren wie Theater von Autoren, die klassische Texte uns hinterlassen haben, deren Lebendigkeit heute noch auffindbar ist.

Das Zweiter ist schwerer zu erobern wie das erstere oft. Und die Richtung ist eben diese Erlebnisfähigkeit in diesen verschiedenen Vorlagen immer wieder zur Wir­kung kommen zu lassen. Ich denke, dass der Anspruch, der in diesem Spielplan ist, sich immer wieder aus dieser Frage formuliert.

Ich glaube, dass das Publi­kum diesen Anspruch nimmt, weil nur von allzu ver­achtenden Leuten gesagt wird, dass das Publikum auf der niederen Ebene seine Ansprüche anmeldet.

Frage: Sie spielen aber nun doch anders Theater als das früher in Heilbronn der Fall war. Früher wurde viel von der Werktreue gesprochen, früher war ein Fünfzigjähriger auch mit einem Fünfzigjährigen be­setzt. Früher war ein junger Schauspieler gleichzeitig als Souffleur und als Inspizient beschäftigt. Sie spielen unter dem Motto 'Vielfalt und Überra­schung. Haben Sie sich Ihr Publikum erzogen oder ha­ben Sie sich ein neues herangeholt für diese Art Theater zu spielen?

Wagner: Ich weiß das nicht. Ich muss Ihnen sagen, ich glaube, es ist wie immer: es gibt darauf nicht nur eine Antwort, Das Publikum hat uns die Treue gehalten. Manche haben sicher durch die etwas geän­derten Grundvoraussetzungen einen gewissen Vorbehalt uns gegenüber. Manche werden auch böse geworden sein.

Oder sie werden ihre Ansprüche nicht erfüllt gesehen haben. Die meisten aber sind, weil sie eine prinzi­pielle Liebe dieser Institution entgegenbringen und weil sie unsere Andersgeartetheit nun trotzdem nicht für eine Gelegenheit oder einen Anlas zum Absprung, dabeigeblieben.

Ich versuche immer wieder zu sagen, dass das Nicht-Erwartbare eigentlich der Lebensnerv des Theaters ist. Und ich denke, das Publikum hat das Recht, das in diesem neuen Haus auch zu erwarten.

Frage: Das Erwartbare ist je das Gastspiel der Oper - das kommt. Da weiß man ungefähr, was kommt. Das kann man sich in Stuttgart, Mannheim, Ulm oder woanders vorher anschauen. Bei Ihnen im Schauspiel ist das Gegenstück dazu geboten.

Wagner: Ich will da nicht falsch verstanden werden. Es ist ja nicht so, dass wir meinen, wir machen nicht das, was man unter Werktreue versteht. Wir versu­chen keine Interpretationen im Sinn – „von jetzt machen wir alles anders“. Wir versuchen nicht, uns für wichti­ger zu halten als den Text des Autors. Wir versuchen ihm gegenüber redlich zu sein, dem, was da steht gegenüber und unsere eigene Aufrichtigkeit ins Feld zu führen.

Und das bringt uns zu Ergebnissen, die theatralische, lebendige Ergebnisse sind, nicht immer zu Ergebnissen, die erfolgreich sind, nicht immer zu Ergebnissen, die von allen positiv gewertet werden - um Gottes Willen, das wäre ja auch ganz schrecklich, wenn das im Theater so wäre. Dann könn­te man sich ja die Video-Aufzeichnung irgendeiner Modellinszenierung ansehen.

M u s i k

(Siehe Teil 4)

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