Vom 9.11.1844 bis zum
16.11.1982
Vom Aktientheater zum
Neubau auf dem Berliner
Platz
Von Jürgen Dieter Ueckert
Der
erste Theaterbau in Heilbronn wird am 9. November 1844 in einem Anbau des
Braunhardt‘schen Anwesens, einem ehemaligen Biergarten-Lokal, eröffnet - auf
dem Gelände des heutigen Stadtgartens. Zuschüsse vom Rathaus gibt es keine.
Eine Bürgerinitiative hat von der Stadt Heilbronn 134 Aktien gekauft, die
restlichen 220 Aktien des Grundstücks nebst Gartensaal mit Wirtschaft befinden
sich in Händen der Initiative. Daher der Name „Aktientheater".
Eröffnet
wird das Haus mit der Ouvertüre zur Mozarts „Zauberflöte“ und anderen
Darbietungen - „unter gefälliger Mitwirkung der Herren Dilettanten".
Erster Theaterdirektor ist Martin Jakob
Winter. Da die Direktoren zumeist jährlich wechseln, ist Winter nochmals in
den Spielzeiten 1851/52 und 1860/61 Leiter des Heilbronner Aktientheaters.
Ab
1887 übernehmen die Direktoren Richard
Steng und Konrad Krauß die Direktion.
Zum spielenden Personal zählt man jeweils acht Schauspieler weiblichen und
acht männlichen Geschlechts sowie die verschwägerten Direktoren und ihre
Ehegattinnen. 1870 übernimmt die „Harmonie-Gesellschaft“ den Theaterbau. Seit
1864 werden städtische Zuschüsse gezahlt. Die jährlichen Zuschuß-Steigerungen
führen schließlich dazu, daß 1905 die Stadt das Theater gänzlich in ihre Obhut
nimmt.
1902
schon denkt man in der Heilbronner Stadtverwaltung über einen Neubau für das
Theater nach. Es fehlt aber an Geld. Oberbürgermeister Paul Göbel erläßt am 9. Mai 1908 den Aufruf zu Stiftungen und
Darlehen für den neuen Theaterbau. Innerhalb von vierzehn Tagen kommen 500.000
Reichsmark zusammen. Im gleichen Jahr wird der Münchner Theaterarchitekt Dr. Theodor Fischer auf Anregung des
Heilbronner Hofrates Peter Bruckmann
mit den Planungen für den Neubau beauftragt.
Drei
Standorte stehen zur Wahl: der Harmonie-Garten, das Nordende der Allee und ein
Platz an der Ecke Bismarckstraße / Herbststraße. Am 24. August 1911 werden die
Planungen von der Stadt Heilbronn genehmigt. Am 18. September 1911 erfolgt
der erste Spatenstich am Nordende der Allee. Am 9. Mai 1912 wird der Grundstein
gelegt, und die Einweihung des neuen Hauses kann am 30. September 1913
erfolgen.
Das
Haus am Ende der Allee im Jugendstil erbaut, hat 648 Sitzplätze und 200
Stehplätze. Eröffnet wird das Haus vor 800 geladenen Gästen mit einem von Peter
Bruckmann verfaßten „Weihespiel" und dem dritten Aufzug aus Richard Wagners „Meistersingern".
Ein Jahr später beginnt der Erste Weltkrieg.
Geleitet
wird das neue Haus von den Direktoren Richard
Steng und Konrad Krauß, die seit
1887 auch schon das Aktientheater führten. 1919 werden die Söhne beider, Richard Krauß und Wilhelm Steng, zu ihren Nachfolgern bestimmt. Der Theater-Kritiker Hans Franke schreibt über die
Krauß-Ära: „Das Niveau des Theaters war bis 1933 ein vortreffliches. Modern
eingestellte Schauspieler erkämpften das Interesse für das moderne Schauspiel,
zahlreiche Uraufführungen legen Zeugnis von dieser Aktivität und dem Rang des
Theaters ab, das in der Tat wesentlich von dem Trott anderer Provinztheater
abwich."
Schauspieler,
die später bekannt werden, beginnen oft ihre Laufbahn in Heilbronn. Wilhelm Dieterle spielt in Heilbronn
den Franz Moor. In Hollywood ist er
dann der Regisseur William Dieterle.
Und auch Willy Reichert, der schwäbische
Humorist, und die hessische Ulknudel Liesel
Christ debütieren am Heilbronner Stadttheater. Am Provinz-Theater
Heilbronn gastieren bekannte Großstadt-Schauspieler und Sänger: Asta Nielsen, Alexander Moissi, Albert
Bassermann, Heinrich George und Eugenie Burckhardt, Albert Seibert und Gotthold Ditter.
In
der Spielzeit 1923/24 zeigt sich zum Beispiel das Provinz- Theater in voller
Größe: man spielt den „Urgötz" Goethes - „ungestrichen" in 56 Bildern und einer
Spieldauer von vier Stunden mit zehn Minuten Pause.
Am
15. Februar 1933, in Deutschland herrscht die große Arbeitslosigkeit, muß die
Heilbronner Theater-Leitung erklären, daß sie keine Möglichkeit zur
Fortführung des Theaterbetriebes mehr sehe. Aber schon bald übernimmt der
NSDAP-Oberbürgermeister Heinrich Gültig
„in praktischer Erfüllung der nationalsozialistischen Kulturpolitik" das
Theater wieder unter die Fittiche der Stadt. Auf den Intendanten Richard Krauß folgt 1936/37 Hans Gerhard Bartels. Ab 1937 wird Franz Josef Delhis als Theaterleiter
berufen. Er stirbt 1982. In den Kriegsjahren ist Werner Schlafferer Intendant.
„Wenn
die Waffen sprechen, darf die Muse nicht schweigen." Mit dieser Vorgabe
startet das Heilbronner Stadttheater in „die dritte Spielzeit in diesem
Kampfe um Deutschlands Bestand und Zukunft" - im Jahre 1941. Fritz Wilde, ab 1941 am Heilbronner
Theater und im Jahre 1944 dessen letzter Oberspielleiter, erinnert sich, daß
man Tag und Nacht gearbeitet habe. Täglich gab es eine Aufführung, donnerstags
war immer Premiere. Die NSDAP wünscht „Festaufführungen". Zu „Führers
Geburtstag“ hat die Strauß-Oper „Der Rosenkavalier" Premiere. 1943/44
finden in Heilbronn Rumänische Theaatertage als „Gaben des verbündeten Auslandes“
statt.
In
einer nichtöffentlichen Sitzung des Heilbronner Stadtrats wird am 11. Mai 1944
beschlossen, den städtischen Zuschuß für das Haus auf 463.100 Reichsmark zu
erhöhen. Der Nazi-OB Gültig meint dazu, daß er es am liebsten sähe, wenn das
Theater für einige Zeit geschlossen werden könnte". Dieser Wunsch geht bald
in Erfüllung.
Nach
einer Vorstellung von Verdis „Nabucco" am 24. Juni 1944 werden alle
Theatermitarbeiter zu einer Versammlung mit NS-Kreisleiter Richard Drauz zusammengerufen. „Von jetzt ab gehört ihr mir!",
soll Drauz gesagt haben. Das Theater wurde geschlossen - wie alle anderen
Theater im Deutschen Reich auch. Die Mitarbeiter mußten an die Front oder in Rüstungsbetrieben
arbeiten. Beim Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 wurde der
Jugendstilbau des Stadttheaters teilweise zerstört.
Im
Saale der Trappensee-Gaststätte wird schon im November 1945 das „Heilbronner
Künstlertheater" eröffnet. Initiatoren der „Notgemeinschaft", die
sich aus ehemaligen Mitgliedern des Stadttheaters zusammensetzt, sind Ernst Könecke und Dr. Erich Ziemann. „Wir machen Musik" lautet der Titel für den
Eröffnungsabend am 1. November 1945. Doch der Raum in der
Trappensee-Gaststätte wird für Schulzwecke benötigt. Man muß ausziehen.
Am
9. Februar 1946 wird vom „Künstlertheater" im notdürftig renovierten Saal
des Gasthauses „Zur Sonne" in Heilbronn-Sontheim die Operette „Land des
Lächelns" aufgeführt. Am 21. April folgt die erste Oper. Die Bilanz der
ersten Spielzeit: 75 202 Besucher in 214 Vorstellungen.
1947
übernimmt Fritz Wilde die Leitung
des „Künstlertheaters". Man inszeniert Zuckmayers „Des Teufels
General". Gleichzeitig spielt die „Junge Bühne“ um Bernd Wehrmarker in
Sontheim und später in der Sichererstraße Heilbronns Theater für die Bürger der
Ruinenstadt.
Eine
Bürgergemeinschaft um den Journalisten Hans
Franke will 1950 den Wiederaufbau des Theater vorantreiben. Der Deutsche
Gewerkschaftsbund stellt den großen Saal im DGB- Haus in der Gartenstraße 64
als Spielstätte zur Verfügung.
Das
„Kleine Heilbronner Theater" stellt sich am 8. März 1951 mit Romain Rollands „Spiel von Tod und
Liebe" der Öffentlichkeit vor. Im Sommer 1951 wird der Verein „Kleines
Theater Heilbronn" gegründet. Am 12. Oktober 1951 geht Klabunds
„Kreidekreis" über die Bühne im Gewerkschaftshaus.
Bis
1954 führt Hans Heinz Franckh das
Theater. Der Schauspieler und Regisseur Walter
Bison wird zu seinem Nachfolger berufen, zunächst als Oberspielleiter und
dann von 1956 bis 1980 als Intendant. Das Kleine Theater erhält ein eigenes
Ensemble unter Bisons Führung. Man bietet Operetten, Musicals und Schauspiele
an.
1961
beschließt der Heilbronner Gemeinderat, das alte Theater auf dem Berliner
Platz abzureißen, um einen Neubau zu errichten. Aber was beschlossen ist, wird
noch lange nicht in die Tat umgesetzt. 1968 wird das Kleine Theater in die
„Heilbronner Theater GmbH" umgewandelt. Am 18. Juli 1970 wird der
Jugendstilbau des Stadttheaters von Theodor Fischer gesprengt.
1968
hat Kulturbürgermeister Erwin Fuchs
einen „Theaterförderverein“ gegründet. Zwei Millionen Mark werden für den
Neubau gesammelt. Im gleichen Jahr eröffnet der Schauspieler Marc Luxemburger im
Harmonie-Obergeschoß die Studio Bühne „theater 68“.
Nach
kurzer Zeit muß das Experiment abgebrochen werden - aus finanziellen Gründen.
Das Theater unter Walten Bison spielt in den gleichen Räumlichkeiten weiter -
und hat endlich mit der „Studiobühne" eine zweite Spielstätte.
Um
Kindertheater in Heilbronn wiederzubeleben, gründet der Schauspieler Gisbert Lähn 1975 mit interessierten
Bürgern den Verein „Theater für Kinder-Thefki". Nach dem Beweis, daß
Kindertheater beim Heilbronner Publikum ankommt, muß Walter Bison Kindertheater
auch in seinen Spielplan aufnehmen.
Im
Februar 1978 wird mit dem Bau der Allee-Gerade-Ausführung begonnen. Dann Intendanten-Wahl
im Gemeinderat: Unter drei Bewerbern muß der Heilbronner Gemeinderat am 28.
Juni 1979 auswählen, nachdem unter mehr als vierzig schon kräftig gesiebt
worden war - von einer Findungskommission. Zur Wahl stehen Karlheinz Büchi (CDU-Favorit), Alf Andre (SPD-unterstützt) und der
Außenseiter Klaus Wagner. Andre
erhält 17 von 39, Wagner die restlichen 22 Stimmen.
Der
neugewählte Stadttheater-Intendant Klaus Wagner: „Das ist das, was ich wollte.
Ich habe kein Amt gesucht, sondern eine Aufgabe." Und beim Heilbronner
Gemeinderat bedankt er sich mit den Worten: „Ich freue mich auf diese Arbeit.
Wir werden viel miteinander zu tun haben."
Der
erste Spatenstich für den Neubau des Stadttheaters erfolgt am 28. November
1979. Das Richtfest wird am 14. Mai 1981 gefeiert. Und die Einweihung des Neubaus
findet am 16. November 1982 statt - mit dem Musical „My Fair Lady“ in der
Inszenierung des Intendanten Klaus Wagner.
Walter
Bison, der langjährige Kämpfer für den Neubau und ein Dreispartenhaus erlebt
die Einweihung als Ehrengast, 69-jährig. Im Mai 1980 hatte er sich von seinem
Publikum im Gewerkschaftshaus mit Dürrenmatts „Der Meteor" verabschiedet
- Regie und Titelrolle von ihm geboten. Dr. Hans. Hoffmann überreichte Walter
Bison am Ende der Aufführung das Bundesverdienstkreuz.
Quellen:
Uwe Jacobi, „Die Geschichte des Heilbronner Theaters" in Sonderbeilage
in der „Heilbronner Stimme" zur Theatereröffnung 1982 und in „Heilbronn,
so wie es war“, Droste Verlag Düsseldorf 1987.
Sonderbeilage NECKAR-EXPRESS zu
Sonderbeilage NECKAR-EXPRESS zu
„Fünf Jahre Theater Heilbronn am Berliner
Platz“
Donnerstag, 24. September 1987
Nummer 39 / Seite 13 bis 24
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