Freitag, 28. März 2014

Stadttheater Heilbronn - Theatergeschichte Heilbronns im Abriss (1987)



Vom 9.11.1844 bis zum 16.11.1982

Vom Aktientheater zum
Neubau auf dem Berliner Platz

Von Jürgen Dieter Ueckert

Der erste Theaterbau in Heil­bronn wird am 9. November 1844 in einem Anbau des Braunhardt‘schen Anwesens, einem ehemaligen Biergarten-Lokal, eröffnet - auf dem Ge­lände des heutigen Stadtgar­tens. Zuschüsse vom Rathaus gibt es keine. Eine Bürgerinitia­tive hat von der Stadt Heil­bronn 134 Aktien gekauft, die restlichen 220 Aktien des Grundstücks nebst Gartensaal mit Wirtschaft befinden sich in Händen der Initiative. Daher der Name „Aktientheater".

Er­öffnet wird das Haus mit der Ouvertüre zur Mozarts „Zauberflöte“ und anderen Darbietungen - „un­ter gefälliger Mitwirkung der Herren Dilettanten". Erster Theaterdirektor ist Martin Ja­kob Winter. Da die Direktoren zumeist jährlich wechseln, ist Winter nochmals in den Spiel­zeiten 1851/52 und 1860/61 Leiter des Heilbronner Aktien­theaters.

Ab 1887 übernehmen die Direktoren Richard Steng und Konrad Krauß die Direk­tion. Zum spielenden Personal zählt man jeweils acht Schau­spieler weiblichen und acht männlichen Geschlechts sowie die verschwägerten Direktoren und ihre Ehegattinnen. 1870 übernimmt die „Harmonie-Ge­sellschaft“ den Theaterbau. Seit 1864 werden städtische Zu­schüsse gezahlt. Die jährlichen Zuschuß-Steigerungen führen schließlich dazu, daß 1905 die Stadt das Theater gänzlich in ihre Obhut nimmt.

1902 schon denkt man in der Heilbronner Stadtverwaltung über einen Neubau für das Theater nach. Es fehlt aber an Geld. Oberbürgermeister Paul Göbel erläßt am 9. Mai 1908 den Aufruf zu Stiftungen und Darlehen für den neuen Thea­terbau. Innerhalb von vierzehn Tagen kommen 500.000 Reichsmark zusammen. Im gleichen Jahr wird der Münchner Theaterar­chitekt Dr. Theodor Fischer auf Anregung des Heilbronner Hofrates Peter Bruckmann mit den Planungen für den Neubau beauftragt.

Drei Standorte ste­hen zur Wahl: der Harmonie-Garten, das Nordende der Allee und ein Platz an der Ecke Bismarckstraße / Herbststraße. Am 24. August 1911 werden die Pla­nungen von der Stadt Heilbronn genehmigt. Am 18. Sep­tember 1911 erfolgt der erste Spatenstich am Nordende der Allee. Am 9. Mai 1912 wird der Grundstein gelegt, und die Ein­weihung des neuen Hauses kann am 30. September 1913 erfolgen.

Das Haus am Ende der Allee im Jugendstil erbaut, hat 648 Sitzplätze und 200 Stehplätze. Eröffnet wird das Haus vor 800 geladenen Gästen mit einem von Peter Bruckmann verfaßten „Weihespiel" und dem dritten Aufzug aus Richard Wagners „Meistersingern". Ein Jahr spä­ter beginnt der Erste Weltkrieg.

Geleitet wird das neue Haus von den Direktoren Richard Steng und Konrad Krauß, die seit 1887 auch schon das Ak­tientheater führten. 1919 wer­den die Söhne beider, Richard Krauß und Wilhelm Steng, zu ihren Nachfolgern bestimmt. Der Theater-Kritiker Hans Franke schreibt über die Krauß-Ära: „Das Niveau des Theaters war bis 1933 ein vor­treffliches. Modern eingestellte Schauspieler erkämpften das Interesse für das moderne Schauspiel, zahlreiche Urauf­führungen legen Zeugnis von dieser Aktivität und dem Rang des Theaters ab, das in der Tat wesentlich von dem Trott ande­rer Provinztheater abwich."

Schauspieler, die später be­kannt werden, beginnen oft ihre Laufbahn in Heilbronn. Wilhelm Dieterle spielt in Heil­bronn den Franz Moor. In Hol­lywood ist er dann der Regis­seur William Dieterle. Und auch Willy Reichert, der schwä­bische Humorist, und die hessi­sche Ulknudel Liesel Christ de­bütieren am Heilbronner Stadt­theater. Am Provinz-Theater Heilbronn gastieren bekannte Großstadt-Schauspieler und Sänger: Asta Nielsen, Alexan­der Moissi, Albert Bassermann, Heinrich George und Eugenie Burckhardt, Albert Seibert und Gotthold Ditter.

In der Spielzeit 1923/24 zeigt sich zum Beispiel das Provinz- Theater in voller Größe: man spielt den „Urgötz" Goethes  - „ungestrichen" in 56 Bildern und einer Spieldauer von vier Stunden mit zehn Minuten Pause.

Am 15. Februar 1933, in Deutschland herrscht die große Arbeitslosigkeit, muß die Heil­bronner Theater-Leitung erklä­ren, daß sie keine Möglichkeit zur Fortführung des Theater­betriebes mehr sehe. Aber schon bald übernimmt der NSDAP-Oberbürgermeister Heinrich Gültig „in praktischer Erfüllung der nationalsozialisti­schen Kulturpolitik" das Thea­ter wieder unter die Fittiche der Stadt. Auf den Intendanten Ri­chard Krauß folgt 1936/37 Hans Gerhard Bartels. Ab 1937 wird Franz Josef Delhis als Theater­leiter berufen. Er stirbt 1982. In den Kriegsjahren ist Werner Schlafferer Intendant.

„Wenn die Waffen sprechen, darf die Muse nicht schwei­gen." Mit dieser Vorgabe star­tet das Heilbronner Stadtthe­ater in „die dritte Spielzeit in diesem Kampfe um Deutsch­lands Bestand und Zukunft" - im Jahre 1941. Fritz Wilde, ab 1941 am Heilbronner Theater und im Jahre 1944 dessen letz­ter Oberspielleiter, erinnert sich, daß man Tag und Nacht gearbeitet habe. Täglich gab es eine Aufführung, donnerstags war immer Premiere. Die NSDAP wünscht „Festauffüh­rungen". Zu „Führers Geburts­tag“ hat die Strauß-Oper „Der Rosenkavalier" Premiere. 1943/44 finden in Heilbronn Rumänische Theaatertage als „Gaben des verbündeten Auslandes“ statt.

In einer nichtöffentlichen Sitzung des Heilbronner Stadtrats wird am 11. Mai 1944 beschlos­sen, den städtischen Zuschuß für das Haus auf 463.100 Reichsmark zu erhöhen. Der Nazi-OB Gültig meint dazu, daß er es am liebsten sähe, wenn das Theater für einige Zeit geschlossen werden könnte". Dieser Wunsch geht bald in Erfüllung.

Nach einer Vorstellung von Verdis „Nabucco" am 24. Juni 1944 werden alle Theatermitarbeiter zu einer Versammlung mit NS-Kreisleiter Richard Drauz zusammengerufen. „Von jetzt ab gehört ihr mir!", soll Drauz gesagt haben. Das Theater wurde geschlossen - wie alle anderen Theater im Deutschen Reich auch. Die Mitarbeiter mußten an die Front oder in Rü­stungsbetrieben arbeiten. Beim Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 wurde der Jugendstilbau des Stadtthe­aters teilweise zerstört.

Im Saale der Trappensee-Gaststätte wird schon im No­vember 1945 das „Heilbronner Künstlertheater" eröffnet. In­itiatoren der „Notgemein­schaft", die sich aus ehemali­gen Mitgliedern des Stadtthe­aters zusammensetzt, sind Ernst Könecke und Dr. Erich Ziemann. „Wir machen Musik" lautet der Titel für den Eröff­nungsabend am 1. November 1945. Doch der Raum in der Trappensee-Gaststätte wird für Schulzwecke benötigt. Man muß ausziehen.

Am 9. Februar 1946 wird vom „Künstlertheater" im notdürftig renovierten Saal des Gasthau­ses „Zur Sonne" in Heilbronn-­Sontheim die Operette „Land des Lächelns" aufgeführt. Am 21. April folgt die erste Oper. Die Bilanz der ersten Spielzeit: 75 202 Besucher in 214 Vorstel­lungen.

1947 übernimmt Fritz Wilde die Leitung des „Künstlerthe­aters". Man inszeniert Zuck­mayers „Des Teufels General". Gleichzeitig spielt die „Junge Bühne“ um Bernd Wehrmarker in Sontheim und später in der Sichererstraße Heilbronns Theater für die Bürger der Rui­nenstadt.

Eine Bürgergemeinschaft um den Journalisten Hans Franke will 1950 den Wiederaufbau des Theater vorantreiben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund stellt den großen Saal im DGB- Haus in der Gartenstraße 64 als Spielstätte zur Verfügung.

Das „Kleine Heilbronner Theater" stellt sich am 8. März 1951 mit Romain Rollands „Spiel von Tod und Liebe" der Öffentlich­keit vor. Im Sommer 1951 wird der Verein „Kleines Theater Heilbronn" gegründet. Am 12. Oktober 1951 geht Klabunds „Kreidekreis" über die Bühne im Gewerkschaftshaus.

Bis 1954 führt Hans Heinz Franckh das Theater. Der Schauspieler und Regisseur Walter Bison wird zu seinem Nachfolger berufen, zunächst als Oberspielleiter und dann von 1956 bis 1980 als Intendant. Das Kleine Theater erhält ein eigenes Ensemble unter Bisons Führung. Man bietet Operet­ten, Musicals und Schauspiele an.

1961 beschließt der Heil­bronner Gemeinderat, das alte Theater auf dem Berliner Platz abzureißen, um einen Neubau zu errichten. Aber was be­schlossen ist, wird noch lange nicht in die Tat umgesetzt. 1968 wird das Kleine Theater in die „Heilbronner Theater GmbH" umgewandelt. Am 18. Juli 1970 wird der Jugendstilbau des Stadttheaters von Theo­dor Fischer gesprengt.

1968 hat Kulturbürgermeister Erwin Fuchs einen „Theaterför­derverein“ gegründet. Zwei Mil­lionen Mark werden für den Neubau gesammelt. Im gleichen Jahr eröffnet der Schauspieler Marc Luxemburger im Harmonie-Obergeschoß die Studio Bühne „theater 68“.

Nach kurzer Zeit muß das Ex­periment abgebrochen werden - aus finanziellen Gründen. Das Theater unter Walten Bison spielt in den gleichen Räum­lichkeiten weiter - und hat endlich mit der „Studiobühne" eine zweite Spielstätte.

Um Kindertheater in Heil­bronn wiederzubeleben, grün­det der Schauspieler Gisbert Lähn 1975 mit interessierten Bürgern den Verein „Theater für Kinder-Thefki". Nach dem Beweis, daß Kindertheater beim Heilbronner Publikum ankommt, muß Walter Bison Kindertheater auch in seinen Spielplan aufnehmen.

Im Februar 1978 wird mit dem Bau der Allee-Gerade-Aus­führung begonnen. Dann Intendanten-Wahl im Gemeinderat: Unter drei Bewerbern muß der Heilbronner Gemeinderat am 28. Juni 1979 auswählen, nachdem unter mehr als vierzig schon kräftig gesiebt worden war - von einer Findungskom­mission. Zur Wahl stehen Karl­heinz Büchi (CDU-Favorit), Alf Andre (SPD-unterstützt) und der Außenseiter Klaus Wagner. Andre erhält 17 von 39, Wagner die restlichen 22 Stimmen.

Der neugewählte Stadttheater-In­tendant Klaus Wagner: „Das ist das, was ich wollte. Ich habe kein Amt gesucht, sondern eine Aufgabe." Und beim Heilbron­ner Gemeinderat bedankt er sich mit den Worten: „Ich freue mich auf diese Arbeit. Wir wer­den viel miteinander zu tun haben."

Der erste Spatenstich für den Neubau des Stadttheaters erfolgt am 28. November 1979. Das Richtfest wird am 14. Mai 1981 gefeiert. Und die Einweihung des Neu­baus findet am 16. November 1982 statt - mit dem Musical „My Fair Lady“ in der Inszenie­rung des Intendanten Klaus Wagner.

Walter Bison, der langjährige Kämpfer für den Neubau und ein Dreispartenhaus erlebt die Einweihung als Ehrengast, 69-jährig. Im Mai 1980 hatte er sich von seinem Publikum im Gewerkschaftshaus mit Dür­renmatts „Der Meteor" verab­schiedet - Regie und Titelrolle von ihm geboten. Dr. Hans. Hoffmann überreichte Walter Bison am Ende der Aufführung das Bundesverdienstkreuz.

Quellen: Uwe Jacobi, „Die Ge­schichte des Heilbronner Thea­ters" in Sonderbeilage in der „Heilbronner Stimme" zur Thea­tereröffnung 1982 und in „Heil­bronn, so wie es war“, Droste Ver­lag Düsseldorf 1987.

 Sonderbeilage NECKAR-EXPRESS zu
„Fünf Jahre Theater Heilbronn am Berliner Platz“
Donnerstag, 24. September 1987
Nummer 39 / Seite 13 bis 24



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