Worüber man spricht in den letzten fünf Jahren
Erfolgreiche Premieren und vieles andere mehr
Von
Jürgen Dieter Ueckert
Klaus
Wagner im Neckar-Express-Interview
am 18. November 1982 zur Eröffnung des Stadttheaters Heilbronn: „Ich denke,
daß oft viele Stadttheater allzu sehr sich als Diminuitiv (Red. Anm.: Verkleinerung)
der Metropolen betrachtet haben und
immer das Speziellste nachzumachen versucht haben, statt sich als etwas zu
verstehen, was eigentlich viel wichtiger ist: Boden zu sein für das, was dann
weitergehen muß.“
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Kurt.
Gerling, Theater-Architekt, am 18. November 1982 in einem Neckar-Express-Interview zum geplanten
Kulturanbau auf dem Berliner Platz: „Da kann kein Architekt glücklich sein,
wenn nur die Hälfte von dem steht, was als Ganzes einmal auf dem Platz stehen
soll. Aber es ist ja so, daß die Heilbronner die Absicht haben, diesen Anbau
zu erstellen. In der längerfristigen Finanzplanung sind auch Zielvorstellungen
vorgegeben. Wir hoffen, daß es diesmal schneller geht als beim Theater und
nicht wieder zwanzig Jahre vergehen, bis der Westabschluß des Berliner Platzes
entsteht."
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Werner
Thunert, Chefredakteur der Heilbronner
Stimme, in der Sonderbeilage seiner Zeitung am 16. November 1982: „Während
andernorts an den Grundfesten der Existenz der Theater gerüttelt wird, suchten
die Verantwortlichen der „kleinen Großstadt" das Wagnis des Theater-Neubeginns.
Sie taten dies nach einem Jahrzehnte andauernden „Theater ums Theater",
das in seiner Leidenschaftlichkeit sogar alte Freundschaften zerbrechen und
das normale Miteinander der Parteien zu einem unversöhnlichen Gegeneinander
wuchern ließ. Die Auseinandersetzungen scheinen heute vor dem Hintergrund der
Neubau-Euphorie verblaßt zu sein. Sie können aber nach dem Glanz der Premieren
rasch wieder aufflammen, wenn eines Tages die nackten Erfolgs- oder
Mißerfolgszahlen mit dem unbestreitbaren kulturellen Wert der bedeutsamen
regionalen Einrichtung in Einklang gebracht werden müssen. Auch der Staat als
Subventionsgeber wird eines Tages die Meßlatte anlegen."
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Klaus
Wagner auf der „Spielplan-Pressekonferenz 1982/83" am 10.
November 1982: „Das Konzept des Heilbronner Theaters ist jenes, das ich schon
seit zwei Jahren verfolge und weiter verfolgen will. Nämlich daß hier in
Heilbronn Provinz beim Wort genommen wird, junge Leute sich ausprobieren und so
die Basisarbeit für die Institution gemacht wird, damit dies auch ein
Lebendigkeitserlebnis für das Publikum ist. Wir wollen in Heilbronn nicht
Theater als literarische Spezialität und nicht als politisches Forum betrachten,
sondern Theater als unverwechselbaren Augenblick präsentieren, in dem etwas
auf der Bühne geschieht."
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Die
regionale und überregionale Presse berichtete zur Eröffnung
des neuen Heilbronner Theaters mit dem amerikanischen Musical „My Fair
Lady" sehr unterschiedlich.
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Südwestpresse: „Die
Hydraulik feiert hier nie geschaute Triumphe. Der Regisseur Klaus Wagner ist
vollauf damit beschäftigt, das Bühnenbild zu inszenieren. Für die darin
agierenden Personen hat er keine Führungshand mehr frei, Aber die sind bei
diesen Wundem der Technik auch nicht so wichtig - Hauptsache, die
Bühnenwandlungen gehen schnell und reibungslos vonstatten.“
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Stuttgarter
Zeitung: „Die Hilflosigkeit vor der neuen gerühmten Technik des
Hauses war grandios. Nichts zeigte augenfälliger, daß die Heilbronner Trappe,
die so tapfer in ihren Provisorien gespielt hatte, den Neubau noch lange nicht
bezogen hat."
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Süddeutscher
Rundfunk: „Vom Musical blieb ein wenig Gesang. Die Geschichte
wurde aus der lässigen, großzügigen Musical-Show in die enge Puppenstube des
19. Jahrhunderts zurückgepeitscht ... In die viktorianische Scheinidylle
setzte Wagner sein Zappel-Musical mit Marionettenfiguren. Von Komödie war in
dieser Inszenierung kaum etwas zu spüren. Es war ein Schlag aus der
Zauberkiste des „Nichterwartbaren", dem Motto des Intendanten und Regisseurs.
Frage: Warum ist ,My Fair Lady', das Musical, in Heilbronn auf offener Bühne
exekutiert worden."
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Heilbronner
Stimme: „Alle waren wohl überfordert, die Hauptdarsteller aber
besonders ... Klaus Wagners Bühne muß an und in diesem neuen Haus noch wachsen
und lernen - vor allem, die Selbstüberschätzung zu vermeiden."
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Im Vergleich der Einspiel-Ergebnisse der Stadttheater
von Städten mit 100.000 bis zu 200.000 Einwohnern steht Heilbronn gut da. Die
folgend aufgeführten Einspielergebnisse zeigen in Prozenten die von den
Theatern erwirtschafteten Einnahmen in Bezug auf die Gesamtausgaben. Die Zahlen
sind der Statistik des deutschen Bühnenvereins, die im Juni 1986 herausgegeben
wurde, entnommen: Saarbrücken 15,1
Prozent (Saarländisches Staatstheater); Mainz
18,9 Prozent (Theater der Landeshauptstadt Mainz); Kassel 12,5 Prozent (Hessisches Staatstheater Kassel); Freiburg 9,6 Prozent (Städtische
Bühnen); Osnabrück 14,6 Prozent (Städtische
Bühnen); Oldenburg 12,5 Prozent (Oldenburgische
Staatstheater); Bremerhaven 10,9
Prozent (Stadttheater); Darmstadt 14,5
Prozent (Hessisches Staatstheater); Heidelberg 12,4 Prozent (Stadttheater);
Göttingen 15,9 Prozent (Deutsches
Theater); Würzburg 19,0 Prozent (Stadttheater); Regensburg 14,5 Prozent (Stadttheater);
Koblenz 12,7 Prozent (Stadttheater); Heilbronn 26,8 Prozent (Stadttheater); Pforzheim 11,4 Prozent (Stadttheater);
Hildesheim 17,6 Prozent. (Stadttheater).
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Die zweite Premiere am Stadttheater
war im November 1982 Goethes „Faust I“
in der Inszenierung von Klaus Wagner.
Die Stuttgarter Zeitung schrieb:
„Man hat Angst zu glauben, daß es etwas anderes war als panische Angst vor dem
neuen Haus und den ungewohnten vielen Zuschauern in diesem Haus, das den
Regisseur in die dicksten Stilfarbtöpfe fassen ließ, optisch und akustisch ...
Dem Regisseur war offensichtlich die Binsenweisheit - man hofft, vorübergehend
- abhanden gekommen, daß alle Kunst zunächst einmal im Weglassen besteht: im
Weglassen und Entrümpeln der eigenen Klischeevorstellungen vom Theaterspiel."
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Klaus
Wagner an seine „Lieben Theaterfreunde" im Theater- Blatt Nummer 11, Januar 1983:
„Was mußten Sie alles lesen in diesen Eröffnungswochen über Ihr Theater - daß
alles dort schlecht ist und fehlgeplant und verkorkst und krisengeschüttelt.
Wenn Sie eine der Vorstellungen jetzt besuchen, dann kann das nur ein Irrtum
von Ihnen sein. Vielleicht, liebe Theaterfreunde, verstehen Sie nichts vom
Theater. Ich und viele meiner Mitarbeiter hatten es schwer in diesen Wochen
angesichts der haßerfüllten Kampagne, die sich da kübelweise über uns ergoß,
schwer vor allem, weil wir wußten, daß Sich-wehren gegen Vorurteile und
Inkompetenz sinnlos ist und daß Richtigstellen kein Mittel ist, wenn es gar
nicht um Sachlichkeit geht."
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Jahr
für Jahr wechseln viele Schauspieler - auch am Heilbronner
Theater. Begabte und weniger auffällige geben sich die Klinke in die Hand.
Schauspieler-Namen, die durch ihre außerordentlichen Leistungen in den letzten
fünf Jahren auffielen: August Schmölzer,
Christoph Gareifien, Thomas Bestvater, Claudia-Sophia Jelinek, Miklos Horvath,
Evelyn Plank, Wolfgang Dombrovsky, Soeren Langfeld, Christopher Krieg, Dominik
Hillisch, Franz Forschauer.
Sonderbeilage NECKAR-EXPRESS zu
Sonderbeilage NECKAR-EXPRESS zu
„Fünf Jahre Theater Heilbronn am Berliner
Platz“
Donnerstag, 24. September 1987
Nummer 39 / Seite 13 bis 24
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